Über das Smartphone gewinnt man Zugang zu Netzwerken, die sich über die ganze Welt erstrecken. Intime Einblicke und Kochrezepte können damit ebenso mit einer breiten Öffentlichkeit geteilt werden, wie politische Haltungen und Aufrufe zum Widerstand. Zugleich dient es als Speicher für privateste Erinnerungen. Für Menschen auf der Flucht ist das Smartphone aber noch viel mehr: Es ist Wegweiser und Wetterdienst zugleich, ermöglicht den verschlüsselten Kontakt zu Schleppern oder das Absetzen von Notrufen aus einem Boot im Mittelmeer. Und nicht zuletzt, ist es durch die Telefon- und Nachrichtenfunktion oft die einzige Verbindung zu Familie und Freunden in der Heimat.
Die Regisseurinnen Barbara Weber und Diana Rojas-Feile wollten genauer herausfinden, wie die Beziehung zwischen Geflüchteten und ihren Smartphones aussieht. Dafür sprachen sie mit neun Geflüchteten, die von der RBS Bern im Asylverfahren juristisch vertreten werden. Darunter befanden sich sowohl Ehepaare als auch junge Männer, die aus der Türkei, Afghanistan oder Nordafrika in die Schweiz geflüchtet sind. Im offenen Gespräch gaben sie Einblick in ihr Leben mit den digitalen Endgeräten, in ihre Flucht und das Leben davor. Was dabei alle verbindet: Das Smartphone war und ist in ihrem Herkunftsland, auf der Flucht und auch jetzt in der Schweiz im Asylverfahren von zentraler Bedeutung.
«Was bedeutet dir dein Smartphone?», fragt in der entstandenen Audiocollage eine Computerstimme. Die eine Antwort darauf gebe es nicht, doch für Weber steht nach langen Gesprächen mit Asylsuchenden fest: «Das Smartphone schafft neue Tatsachen; neue Vor- und Nachteile für Geflüchtete». Ein junger Intellektueller aus der Türkei, der Jahre im Gefängnis verbrachte, dokumentierte dort etwa Folter und Menschenrechtsverletzungen. Heute, in der Schweiz, absolviert er Kurse für sein Studium per Smartphone. Eine Geflüchtete aus Afghanistan sieht ihr Smartphone als «beste Freundin» und erzählt: «Das Handy ist ein wichtiges Kommunikationsmittel, besonders für Frauen, die nicht arbeiten können und nicht aus dem Haus können. So können sie zuhause bleiben und sich online informieren oder überhaupt etwas machen.»
Die kurzweilige Soundcollage eröffnet neue Perspektiven aufs Smartphone und dessen Besitzerinnen und Besitzer und streift dabei Diskurse rund um Privatsphäre, digitale Kontrolle oder Datenschutz. Kürzlich war das künstlerische Audioprojekt am Festival «about:us» in Zürich zu Gast. 2022 wird «Smartphone» in Kooperation mit Bühnen Bern zu erleben sein, im März und April ist die Installation zudem im Theater Basel in der alten Billetkasse zu hören. Bereits in Planung ist auch die Rückkehr nach Zürich.
Doch zurück zur Frage nach der Bedeutung des Handys im Leben von Geflüchteten: Welche Antwort fanden Weber und Rojas-Feile? «Die Asylsuchenden sind extrem mit ihren Geräten verbunden; viele verbringen bis zu 15 Stunden pro Tag im Netz», sagt Weber. Dabei werde nicht nur mit Games und Social Media die Langeweile bekämpft und Wartezeiten überbrückt, sondern auch Deutsch gelernt, News aus den Herkunftsländern verfolgt und Beweise gesammelt. Das Gerät wird also zum zentral wichtigen Hilfsmittel im Asylprozess – und ist zugleich die oft einzige Brücke ins Heimatland.